Im Reich der Sterne: Kann man Bewertungen im Netz trauen?
Veröffentlicht: Donnerstag, 24.04.2025 00:05

Dichtung und Wahrheit
Berlin/Göttingen (dpa/tmn) - Ein neues Laptop muss her? Oder ein neues Smartphone? Welche Produkte es von welchen Anbietern in welcher Qualität, mit welchen Eigenschaften und in welchen Preisklassen gibt, darüber machen sich viele vor einem Kauf erst einmal im Netz schlau.
Dabei werfen die meisten auch einen Blick auf Kundenbewertungen, die bei vielen Händlern beim jeweiligen Gerät oder Produkt aufgeführt sind. Unwillkürlich schielt man dabei auf die Sterne oder Punkte, die die (angeblichen) Käuferinnen und Käufer gegeben haben. Und man liest deren knackig-kurze bis episch-blumige (angebliche) Erfahrungen.
Aber lohnt es sich, in die Bewertungsrecherche zu gehen oder verschwendet man bloß Zeit? Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie aussagekräftig sind eigentlich solche Bewertungssysteme?
«Bewertungssysteme sind wichtig», sagt Kathrin Bartsch von der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Bewertungen sind aus ihrer Sicht Entscheidungshilfen, sich für oder gegen ein Produkt zu entscheiden.
Seit 2022 sind Anbieter verpflichtet, darüber zu informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass Bewertungen von Menschen stammen, die das Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich gekauft haben.
Dadurch sollen Menschen besser vor gefälschten Bewertungen geschützt und in die Lage versetzt werden, auf der Basis echter Erfahrungen eine informierte Kaufentscheidung zu treffen.
Gleichwohl kann diese Regelung manipulierte oder gefälschte Bewertungen nicht oder zumindest nicht vollständig verhindern. Susanne Dehmel vom IT-Branchenverband Bitkom rät, beim Lesen von Bewertungen nicht nur auf das Gesamtergebnis zu schauen, also etwa wie viele von beispielsweise fünf Punkten oder Sternen das Produkt erhält.
Wichtig sei, einen kritischen Blick auf Einzelbewertungen zu werfen, «auf sehr gute, aber auch auf schlechtere, um sich so selbst ein Bild über das Produkt zu machen», sagt Dehmel.
Was ist der psychologische Effekt von Bewertungen?
Liest vielleicht jede oder jeder nur das zur Bestätigung heraus, was er herauslesen möchte – und verdrängt alles andere, also negative Aspekte?
«Es ist nicht auszuschließen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher aus Online-Bewertungen nur das herauslesen, was sie möchten», sagt Susanne Dehmel.
Gerade wenn die Bewertungen aber ausführlicher seien und sich nicht allein auf die Vergabe von Sternen, Punkten oder einer Note beschränkten, ermöglichten sie es, sich vorab über Vor- und Nachteile eines Produktes zu informieren.
Was ist von «extremen» Bewertungstexten zu halten?
Auf Shop-Seiten finden sich Bewertungen teils in extremer Ausprägung – von knappen Stichwörtern bis hin zu Berichten in epischer Länge.
«Bewertungstexte, die extrem detailliert oder in typischem Marketing-Sprech verfasst sind, können ebenso wie sehr kurze Bewertungen auf gekaufte oder gefälschte Rezensionen hinweisen», sagt Susanne Dehmel.
Auch eine auffällige Ähnlichkeit zwischen mehreren Bewertungen deute auf Manipulation hin. Grundsätzlich gelte: «Bewertungen sind dann aussagekräftig, wenn sie inhaltlich nachvollziehbar und vielfältig sind.»
Händler können Bewertungen übrigens automatisch von Algorithmen prüfen lassen, die dann auch auffällige Dopplungen oder Ähnlichkeiten erkennen. Auf der jeweiligen Shop-Seite muss es Verbraucherschützerin Bartsch zufolge eine Missbrauchsmeldefunktion geben. Auffällige Bewertungen müssten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Händlers oder Portals geprüft werden.
Wie erkennt man gefälschte Bewertungen?
Die Zahl der Bewertungen, Benutzernamen und natürlich die Inhalte selbst können Indizien für gefälschte Bewertungen liefern.
Wenn beispielsweise ein Online-Shop noch relativ neu am Markt ist, aber schon sehr viele Bewertungen für seine Produkte hat, kann dies ein Anhaltspunkt für Fake-Rezensionen sein, sagt Kathrin Bartsch.
Manchmal finde man Pseudonyme als Benutzernamen vor. Das sei zwar grundsätzlich in Ordnung. «Aber manchmal passt ein merkwürdig anmutender Benutzername nicht mit einer Fünf-Sterne-Bewertung zusammen.»
Und nur Lob ist aus Sicht von Bartsch auch kein gutes Zeichen. «Denn hin und wieder werden Kundinnen und Kunden eben nicht zufrieden sein, was nichts Ungewöhnliches ist im Geschäftsverkehr», so die Verbraucherschützerin.
Auch negative Bewertungen können laut natürlich gefälscht sein, etwa wenn gezielt Produkte von Konkurrenten schlechtgemacht werden, erklärt Susanne Dehmel. Wichtig: den gesunden Menschenverstand nutzen und Bewertungen auf ihre Plausibilität hin abklopfen.
Wegen all der Unsicherheiten ist es grundsätzlich hilfreich, Bewertungen zu einem Produkt in unterschiedlichen Shops oder auf unterschiedlichen Plattformen zu lesen. Und natürlich ist es in diesem Kontext auch und vor allem empfehlenswert, unabhängige Produkttests zu lesen.
Welche Glaubwürdigkeits-Abstufungen gibt es bei Bewertungen?
Es gibt Kennzeichnungen wie «verifizierter Käufer», die eine gewisse Sicherheit bieten, dass die Bewertung von einem echten Käufer oder einer echten Käuferin stammt, und dass an dieser Stelle nicht jeder bewerten kann, der sich berufen fühlt.
Allerdings sind auch diese Systeme nicht unfehlbar und können manipuliert werden, warnt Susanne Dehmel. Glaubwürdig sind ihr zufolge Bewertungen, die nachvollziehbar argumentieren und womöglich nicht ausschließlich positiv oder negativ sind, sondern unterschiedliche Aspekte des Produkts erläutern und bewerten.
Welche Rolle spielt die Anzahl der Bewertungen?
Eine hohe Anzahl an Bewertungen allein ist kein Garant für Echtheit. «Auch bei Produkten mit Tausenden Bewertungen kann ein signifikanter Anteil gefälscht sein», sagt Susanne Dehmel.
Umgekehrt könnten auch nur sehr wenige Bewertungen eines Produktes aussagekräftig sein, wenn es sich um authentische Texte von echten Käuferinnen und Käufern handelt.
Was ist von Belohnungen für Bewertungen zu halten?
Händler melden sich oft nach einem Kauf bei ihren Kunden und bieten einen Gutschein oder einen Rabatt für die Abgabe einer sehr guten Bewertung an.
Dann könne man zwar sagen: «Ja, es sind echte Kundinnen und Kunden», so Verbraucherschützerin Bartsch. «Aber wenn sie bezahlt werden, dass sie sehr gute Bewertungen abgeben und dies nicht sichtbar machen, hilft das nicht, Vertrauen in Bewertungen zu erhöhen.»